Wenn es um Haushaltsgeräte geht, wurden Warmwasserboiler und -installationen als potenzielle Hotspots für mikrobielles Leben bisher übersehen, abgesehen von Legionellen. Doch diese Alltagsgeräte beherbergen bestimmte thermophile Bakteriengemeinschaften, die im heissen Wasser gedeihen, was ein neues Forschungsfeld in der Trinkwassermikrobiologie eröffnet. In diesem aufschlussreichen Interview erklärt Professor Emeritus Dr. Thomas Egli, Mikrobiologieexperte und wissenschaftlicher Berater von bNovate, berichtet von der überraschenden Entdeckung, die sein Team zur Untersuchung dieser mikrobiellen Gemeinschaften veranlasste, und den Auswirkungen ihrer Erkenntnisse.
Im Folgenden erläutert Prof. Egli die Bedeutung dieser Forschung und ihre Auswirkungen auf die Wasserqualität und -sicherheit.
1. Was hat Ihr Team ursprünglich dazu motiviert, die mikrobiellen Gemeinschaften in Warmwasserkesseln zu untersuchen? Gab es eine bestimmte Beobachtung oder ein Problem, das Ihr Interesse geweckt hat?
Alles begann eher zufällig. 2018 brachte mir Stefan Zimmermann, technischer Verkaufsberater bei bNovate, ein BactoSense- Gerät zum Testen. Als neugieriger Mikrobiologe und Wissenschaftler erforsche ich gerne neue Versionen solcher Geräte. Es ist auch ein gutes Zeichen, wenn ich damit umgehen kann. Als ich zu Hause verschiedene Wassersorten mass, bemerkte ich etwas Unerwartetes: Die Gesamtzellzahl im heissen Wasser aus unserem Küchenhahn und Duschschlauch war zehnmal höher als im gelieferten kalten Trinkwasser. Ausserdem sahen die Fingerabdrücke von kaltem und heissem Wasser völlig unterschiedlich aus. Zunächst dachte ich, es sei ein Fehler, aber wiederholte Tests bestätigten die Beobachtung. Ich bat Stefan, kaltes und heisses Wasser bei sich zu Hause zu überprüfen, und seine Ergebnisse waren identisch. Eine Überprüfung der relevanten Literatur zeigt, dass es weltweit keine Vorschriften bezüglich der mikrobiologischen Qualität von heissem oder warmem Wasser gibt. Laut Schweizer Vorschriften ist „warmes Wasser“ einfach „Trinkwasser, dessen Temperatur durch Wärmezufuhr erhöht wurde“. Daher haben wir mehrere langjährige Mikrobiologen-Kollegen aus den Regionen Wien und Zürich kontaktiert, die alle über ein BactoSense-Gerät verfügen, um die Ergebnisse direkt vergleichen und dies genauer untersuchen zu können.
Auch die Technische Universität Wien führte ähnliche Tests durch und fand vergleichbare Daten. Wir fanden keine bestehenden Vorschriften oder Literatur zur Mikrobiologie in heissem Wasser, nur in kaltem Trinkwasser, mit Ausnahme von Bedenken hinsichtlich Legionellen. Diese Wissens- und Regulierungslücke veranlasste uns, weitere Untersuchungen durchzuführen. Schliesslich muss man seine Umgebung beobachten; wenn man etwas Unerwartetes sieht, muss man ihm folgen.
2. Ihre Studie ergab, dass in Warmwasserboilern bestimmte thermophile Bakteriengemeinschaften gedeihen. Können Sie die Bedeutung dieser Entdeckung und ihre möglichen Auswirkungen auf die Wasserqualität, Energieeffizienz oder andere Bereiche erläutern?
Aus hygienischer Sicht sind, abgesehen von Legionellen, keine mikrobiologischen oder viralen Erkrankungen bekannt, die explizit durch Warmwasser übertragen werden. Vielleicht ist dies der Grund, warum dieses Problem bisher keine grosse Beachtung fand. Es ist jedoch beunruhigend, dass Warmwasser übersehen wurde, vor allem angesichts des grossen Temperaturbereichs, in dem Boiler und andere Warmwasseranlagen in verschiedenen Ländern betrieben werden. Die meisten Länder empfehlen beispielsweise, Boiler bei 50–60 °C zu betreiben und diese einmal pro Woche kurzzeitig auf 60 °C zu erhöhen, um Legionellenwachstum zu verhindern. Häufig werden sie jedoch auf 40–50 °C gehalten, um Energie zu sparen. Daher verdienen die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Temperaturen auf das mikrobielle Wachstum in Warmwassersystemen eine gründliche Untersuchung. Dies ist ein neues Forschungsgebiet, das aufdecken könnte, wie mikrobielle Gemeinschaften in Warmwasser mit Krankheitserregern wie Legionellen interagieren und möglicherweise mit ihnen konkurrieren oder sie unterstützen. Die Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis der Mikrobiologie in Warmwassersystemen und zu verbesserten Vorschriften führen.
3. Die Studie legt nahe, dass Heisswasserkessel als halbkontinuierliche Bioreaktoren fungieren. Können Sie dieses Konzept näher erläutern und erklären, wie die Bedingungen in Kesseln das Wachstum dieser thermophilen Gemeinschaften fördern?
Wie in unserem Artikel gezeigt, erzeugt Heizwasser Nährstoffe. Nach unseren Berechnungen scheint die Hydrolyse von 1 bis 2 % des in kaltem Wasser vorhandenen gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) die primäre Nährstoffquelle zu sein; weniger wahrscheinlich sind der Zerfall von Zellen aus dem zugeführten kalten Trinkwasser oder die Freisetzung von Nährstoffen aus Materialoberflächen oder Biofilmen. In Wachstumsexperimenten haben wir gezeigt, dass die Bakterienflora von Warmwasserkesseln bei 50-60 °C wachsen kann, während sich die Kaltwasserflora bei solchen Temperaturen nicht vermehren kann. Im Wesentlichen wirkt ein solcher Kessel wie ein einzelner thermophiler Bioreaktor. Beispielsweise hatte in drei benachbarten Gebäuden, die mit Trinkwasser aus derselben Leitung versorgt wurden, jeder Kessel seine eigene Bakterienflora.
4. Ihr Team verwendete fortschrittliche Techniken wie Durchflusszytometrie und 16S rRNA-Genamplikonsequenzierung. Können Sie kurz erklären, wie diese Methoden zu Ihrer Analyse beigetragen haben und welche Erkenntnisse sie geliefert haben?
Die Durchflusszytometrie war ausschlaggebend für die Beobachtung des Phänomens der zunehmenden Häufigkeit und möglicher Veränderungen der Gemeinschaftszusammensetzung in heissem und kaltem Wasser. Diese Technik ermöglicht einen schnellen und direkten Zugang zu den Eigenschaften verschiedener Gewässer. Die Durchflusszytometrie-Fingerabdrücke zeigten sofort, dass sich die Bakterienflora in heissem Wasser stark von der in kaltem Wasser unterschied (aber nicht in Bezug auf die Zusammensetzung). Eine Genanalyse bestätigte eindeutig, dass Warmwasserboiler eine andere Bakterienflora enthielten, die aus etwa 35 verschiedenen thermophilen Stämmen bestand, von denen drei bis vier dominierten. Im Gegensatz dazu wiesen Kaltwasserfloren eine etwa zehnmal höhere Vielfalt auf, mit fast 300 Stämmen, die nur in diesem Lebensraum vorkommen. Interessanterweise wurde das regelmässige Vorkommen eines unserer dominierenden Thermophilen auch in einer kürzlich durchgeführten Studie über Warmwasserinstallationen in Privathaushalten in den USA festgestellt, was auf ein weltweites Phänomen hindeutet. Ökologisch gesehen gelten Ökosysteme mit einem breiten Spektrum an Organismen als stabiler gegenüber Eindringlingen als solche mit einem engen Spektrum, was die Untersuchung von Warmwassersystemen im Hinblick auf mikrobielle Stabilität und Anfälligkeit für Krankheitserreger spannend macht.
5. Der Durchflusszytometer BactoSense spielte in Ihrer Studie eine entscheidende Rolle. Wie hat dieses Werkzeug konkret dabei geholfen, die Bakteriengemeinschaften in Heiss- und Kaltwasserproben schnell zu analysieren und zu vergleichen?
Der BactoSense-Durchflusszytometer war für unsere Studie ein grosser Vorteil, da alle beteiligten Gruppen (unsere österreichischen Kollegen, bNovate und ich) dasselbe standardisierte Instrument verwendeten. Diese „instrumentenübergreifende“ Reproduzierbarkeit ermöglichte es uns, Ergebnisse aus verschiedenen Quellen, Instrumenten und von verschiedenen Personen genau zu vergleichen. Diese Zuverlässigkeit machte unsere Ergebnisse robust und vergleichbar und erhöhte die Glaubwürdigkeit unserer Analyse.
6. Obwohl thermophile Bakterien möglicherweise keine direkte Gesundheitsgefahr darstellen, haben Sie mögliche Wechselwirkungen mit opportunistischen Krankheitserregern wie Legionellen erwähnt. Können Sie darauf näher eingehen und etwaige Bedenken oder Bereiche erörtern, die weiterer Untersuchung bedürfen?
Dies weiter zu vertiefen ist eine Herausforderung, aber in den letzten 40 Jahren hat man beim Verständnis des Legionellenwachstums in Warm- und Kaltwassersystemen nur minimale Fortschritte gemacht. Unsere Erkenntnisse, insbesondere die Tatsache, dass beim Erhitzen Nährstoffe entstehen, könnten eine neue Perspektive auf das Wachstum und die Wechselwirkungen zwischen Kalt- und Warmwasserorganismen und Legionellen bieten. Obwohl dies spekulativ ist, ist es etwas, das weitere Untersuchungen rechtfertigt.
7. Welche Empfehlungen oder bewährten Vorgehensweisen würden Sie auf der Grundlage Ihrer Erkenntnisse Hausbesitzern oder Gebäudemanagern zur Wartung und Überwachung ihrer Warmwassersysteme vorschlagen?
Durchflusszytometrie, BactoSense!
Mithilfe der Durchflusszytometrie, insbesondere des tragbaren, leicht zu handhabenden BactoSense-Instruments, lassen sich vor Ort schnell Erkenntnisse zur mikrobiellen Aktivität in häuslichen Wasserinstallationen gewinnen. Die Durchflusszytometrie bietet eine schnelle und kostengünstige Methode, um Häufigkeit und Veränderungen in mikrobiellen Gemeinschaften ohne umfangreiche genetische Tests zu überwachen. Darüber hinaus kann die Überwachung des Verhältnisses von Warm- zu Kaltwasserorganismen Aufschluss über die Wirksamkeit der Wasseraufbereitung und die Biostabilität des Trinkwassers geben und eine Anleitung zur Verbesserung der Aufbereitung bieten.
Bezüglich der Temperatur halte ich die Empfehlung, die Kesseltemperatur zwischen 50 und 60° C zu halten, für sehr sinnvoll, um das Risiko opportunistischer Krankheitserreger zu minimieren.
8. Welche nächsten Schritte oder zukünftigen Forschungsrichtungen sehen Sie in diesem Bereich? Gibt es bestimmte Faktoren oder Variablen, die Ihrer Meinung nach weiter untersucht werden sollten?
Unsere Erkenntnisse haben einen weitgehend unerforschten Bereich der Warmwassermikrobiologie in Gebäuden erschlossen. Zukünftige Forschung sollte sich auf die Stabilität von Kohlenstoff in behandeltem Wasser konzentrieren, um ein erneutes Wachstum während der Stagnation oder in Warmwassersystemen zu verhindern. Das Verständnis, wie man Wasser behandelt, um eine (bio)stabile Konsistenz zu erreichen, ist von entscheidender Bedeutung. Dies erfordert die Zusammenarbeit zwischen Mikrobiologen und Chemikern, um tiefer in die Faktoren vorzudringen, die die Wasserstabilität und das mikrobielle Wachstum beeinflussen.
9. Gibt es ausser Warmwasserkesseln noch andere Haushalts- oder Gebäudesysteme, in denen möglicherweise ähnliche thermophile mikrobielle Gemeinschaften vorhanden sind und deren Untersuchung sinnvoll wäre?
Insbesondere in Entwicklungsländern oder im globalen Süden erreichen Lagertanks auf Dächern oft Temperaturen von 35–40 °C, was ideal für die Kontamination mit Krankheitserregern sein kann. Dieses Problem muss dringend angegangen werden. Darüber hinaus werden viele Warmwassersysteme aus Energiespargründen bei 35–40 °C betrieben, was im Hinblick auf mikrobielles Wachstum kritisch sein kann. Auch das Schicksal von Desinfektionsmittelrückständen während des Erhitzens und ihre Rolle bei der oxidativen Nährstoffbildung sind nicht gut verstanden. Diese Bereiche erfordern sicherlich weitere Untersuchungen, um die Wassersicherheit und -qualität zu gewährleisten.
10. Möchten Sie hinsichtlich der Bedeutung oder der Auswirkungen der Ergebnisse Ihrer Studie noch etwas hinzufügen oder hervorheben?
Es ist schade, dass ich im Ruhestand bin und keinen Zugang mehr zu einem Labor habe, da es auf diesem Gebiet noch so viel zu erforschen gibt. Ich hoffe jedoch, dass junge Forscher diese Aufgabe übernehmen und weiterhin die faszinierende Welt des mikrobiellen Lebens in Warmwasseranlagen untersuchen, denen wir täglich ausgesetzt sind.